Geburt

von Dr. Raphael Hochstrasser

Vorbereitung

Obwohl sowieso meist alles etwas anders kommt als geplant, ist es ein gutes Gefühl, vorbereitet zu sein. Hier das wenige, was Du allenfalls brauchst:
Für die Hausgeburt z. B. Bettanzüge bereitlegen, die blutig werden dürfen, ausserdem saubere Laken, Mullwindeln und eine Wärmequelle für das Kind usw.
Für einen Notfall, falls ihr doch noch ins Krankenhaus müsst, frühzeitig eine Tasche bereithalten mit Necessaire, Unterwäsche, Ladegerät, wichtigsten Telefonnummern (zu informierende Angehörige), Deine Notizen an die Geburtshelferinnen (s. u.), Energieriegel, ID, Impfausweis, allfällige Krankengeschichten und Berichten etc.
Ausserdem frühzeitig einen Babysitz fürs Auto (falls die Geburt nicht zu Hause stattfindet) anschaffen. Hingegen noch nicht zu viel Kleider, Spielzeuge etc. kaufen. Anfangs braucht es sehr wenig und es wird sich erst mit der Zeit zeigen, was praktisch ist und wirklich benötigt wird.

Deine Notiz an die Geburtshelferinnen

Je nach Situation kannst Du eine Liste Deiner speziellen Wünsche vorbereiten, die der Hebamme, den Gynäkologinnen oder anderen Geburtsbegleitern ausgehändigt wird:

  • Abgesehen von einem Blutbild der Mutter werden im Vorfeld keinerlei invasive Untersuchungen wie z. B. Ultraschall gewünscht. [*]
  • Wir legen den Fokus nicht auf die Vermeidung aller möglichen Risiken, sondern auf eine möglichst natürlich verlaufende Geburt.
  • Bitte so minimal-invasiv wie nur möglich vorgehen! Beispielsweise so wenige vaginale Untersuchungen wie möglich, innere Untersuchungen nur bei unbedingter Notwendigkeit, nicht standardmässig einen Wehentropf legen etc.
  • Weniger ist mehr! Falls ich mitten in der Geburt plötzlich dennoch nach einer PDA oder einer Sectio verlange, bitte nicht zu schnell nachgeben. Ebenfalls keine Beschleunigung des Geburtsverlaufs und keine Angebote in diese Richtung (Geburtserleichternde Medikamente, Interventionen, etc.) offerieren.
  • Falls eine Einleitung notwendig wird, versuchen wir es zuerst mit sanfter Oxytocin-Stimulation (Berührung, Sex, Atmung etc.), dann mit Akupunktur. Invasivere Massnahmen erst zur Sprache bringen, wenn alle nebenwirkungsarmen Methoden ausgeschöpft wurden.
  • Wir probieren die Technik des Hypnobirthing, bei der versucht wird, das Kind herauszuschieben statt zu pressen.
  • Bitte den Fokus nicht auf den Schmerz legen, Wörter wie „Leid, Problem, Gefahr etc.“ vermeiden, auch keine Schmerzskala verwenden etc.
  • Kein Dammschnitt [der natürliche Riss verheilt nachweislich besser!]
  • Wenn irgendwie möglich, soll der Vater die Fruchtblase eröffnen (falls notwendig), das Kind entgegennehmen bzw. der Mutter übergeben und schliesslich die auspulsierte! Nabelschnur durchtrennen.
  • Das Kind nicht einwickeln, herumreichen etc. sondern schnellstmöglichen Hautkontakt mit der Mutter schaffen.
  • Den natürlichen Plazentaaustritt abwarten.
  • Keine unnötigen Kommentare abgeben (z. B. darüber ob es nun ein Mädchen ein Junge oder etwas dazwischen sei)
  • Wir schätzen es, wenn der Ort der Geburt in einer warmen, ruhigen und familiären Atmosphäre liegt. Je weniger Maschinen, nebensächliches Alltagsgerede, Hektik und ungemütliche Dinge im Hintergrund, desto besser.
  • Bitte das Kind weder mit einem Schnuller, einer Flasche, Augentropfen, Zucker noch irgendwelchen Vitamingaben oder anderen Dingen versorgen.
  • Jetzt schon ganz vielen herzlichen Dank für das Verständnis, das Fachwissen, die Geduld, Arbeit und vor allem die Menschlichkeit und Liebe, die Du diesem für uns so einzigartigem Erlebnis entgegenbringst!

* Dafür gibt es übrigens keinen wissenschaftlich nachweisbaren Nutzen. Es sei denn, Du bist bereit, Dich vor die schreckliche Entscheidung zu stellen z. B. bei Trisomie 21 oder anderen erhöhten Risiken, abzutreiben. Der einzige Nutzen darüber hinaus sind die finanziellen Einnahmen der Ärzte sowie das Lindern der Unsicherheiten seitens Mütter, wenn sie ein Bildli oder irgendwelche Laborwerte und Risikokalkulationen in den Händen halten. Was natürlich ganz legitim ist.

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Grundsätzliche Vorteile der natürlichen Geburt Gebärende und Fachpersonen

Es gibt wohl wenige Berufe, die so alt sind, wie der der Hebammen. Die Gynäkologen und Fachärzte sind eigentlich die Neulinge im Feld. Die meisten Ärzte und heute sogar viele Hebammen, die nur in Kliniken arbeiten, erleben meist nur komplikative Geburten. Das liegt daran, dass sich die humanmedizinische Ausbildung sowie die meisten Kliniken sich auf Komplikationen und Notfälle spezialisieren. Zur Geburtshilfe wäre es aber überaus wichtig, dass sie ein Verständnis und Gefühl für natürliche, gesunde Geburten haben, damit sie den Gebärenden dieses Vertrauen vermitteln können. Hierzu einige erhellende Stichpunkte …

– Dr. Michel Odent, ein Urgestein der Geburtshelferforscher fasst seine Erkenntnisse aus Jahrzehnten so zusammen:
Ideal wäre ein dunkler Raum, indem sich nur die Schwangere und eine Hebamme befindet. Die Hebamme sitzt in der Ecke und strickt.
Dahinter stecken eine ganze Menge Erkenntnisse und schlauer Überlegungen!

– Viele moderne Settings der Geburtsbegleitung (Gynäkologen, Geburtskliniken) drehen sich um Risikovermeidung und Notfälle. Das ist für die Grosszahl der Geburtshilfe ungeeignet, denn dadurch werden die Gebärenden vorwiegend mit Ängsten überfrachtet. Ängste führen zu Stress und vermindern die abdominale Durchblutung. Der Körper öffnet sich nicht, sondern sperrt sich. Es ist übrigens wissenschaftlich unumstritten, dass je mehr Angst und Stress, desto mehr Komplikationen!

– Was Geburtshelferinnen der Gebärenden primär vermitteln sollten, ist, dass sie von der Natur befähigt sind, zu Gebären, zu Atmen, zu fühlen, was wann zu tun sei. Und zwar nicht auf einer rationalen Ebene [!], sondern auf einer gefühlten. Der Neokortex sollte möglichst nicht aktiviert werden, also möglichst wenig oder gar nicht sprechen! Denn der Neokortex aktiviert tendenziell den Sympathikus. Stattdessen soll jenen Systemen den Raum überlassen werden, die fühlen! Messungen, Interventionen, Geräte, die Piepsen oder Herztöne wiedergeben, plötzlich intervenierende Fachpersonen (Chefarzt, der reinplatzt) oder Personen, die der Gebärenden nicht nahestehen, sind dabei wesentliche Störfaktoren und können den Geburtsvorgang hemmen oder verhindern.

– Die grosse Kunst der Geburtshilfe ist, das natürliche Timing zuzulassen, inklusive Geburtspausen. Vielen Kliniken übergehen dies aufgrund verfestigter Abläufe und Leitlinien. Aber für manche Hebamme ist es eine Herausforderung, genügend Geduld für Geburtspausen aufzubringen. Stricken könnte helfen :o)

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Technisches zur natürlichen Geburt

– Die Öffnung des Muttermundes erfolgt nicht linear und ist daher keine geeignete Grösse um den Geburtsfortschritt einzuschätzen!

– Lass der Frau ihre Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit!
Die durch Kliniken eingeführte Rückenlage ist die denkbar ungünstigste Lage, da sie das Becken im Geburtsvorschub blockiert. Sakrum und Symphyse sollten sich frei bewegen können. Geburten in Rückenlagen führen deutlich häufiger zu Verletzungen und Komplikationen! Die Gebärende ist die Expertin und die Chefin der Geburt!

– Es gibt meist keinen guten Grund, bei Klinikeintritt prinzipiell einen Venenzugang zu legen. Eher im Gegenteil, der Venenzugang schmerzt und schränkt die so wichtige Bewegungsfreiheit ein! Wenn es sich als unumgänglich zeigt, ist ein Venenzugang schnell gelegt.

– Forciertes Pressen ist kontraproduktiv, da es zunächst den Blutdruck anhebt, dann senkt, was wiederum die abdominale Blutversorgung und damit den Geburtsfortschritt hemmt. Stattdessen empfiehlt sich eine tiefe Atmung, bei der das Kind geschoben (Hypnobirthing). Der Körper soll sich öffnen, nicht durch Drücken verschliessen.

– Wohlgemerkt sind jedoch die natürlichen Kontraktionen der Gebärmutter notwendig, damit genügend physischer Widerstand aufgebaut wird, an dem sich das Kind abstossen kann. Notabene gebärt nicht nur die Mutter, auch das Kind arbeitet!

PDA (Periduralanästhesie) hat definitiv viele Nebenwirkungen, die über die Schmerzbetäubung hinaus gehen. Grundsätzlich steigt das Risiko von Geburtskomplikationen und negativen Spätfolgen
Die PDA …
… vermindert die Austreibungskraft
… vermindert die Ausschüttung des körpereigenen Oxytocins, was wiederum das Risiko für Spätfolgen wie ADHS und Autismus erhöht
… vermindert die Ausschüttung weiterer Hormone, die das Kind und die Mutter schützen

Sectio (Kaiserschnitt) hat ähnliche Nachteile. An vielen Orten ist es immer noch üblich, die Sectio zu planen, sei es aus Personalgründen oder aus mangelndem Verständnis über den Geburtsvorgang. Stattdessen sollten die natürlichen Wehen abgewartet werden, denn diese Helfen zur Lungenreife, bei Ausschüttung von wichtigen Hormonen (nicht nur das Oxytocin der Mutter , sondern z. B. das DMT des Kindes und das Adrenalin des Kindes), bei der Stärkung des Immunsystems, usw.
Negative Spätfolgen wie Asthma oder Diabetes sind bei Sectio-Kinder signifikant höher.

– Die Geburt ist erst abgeschlossen, wenn die Plazenta ausgeschieden wurde. Oft wird hingegen emotional impliziert, dass die Geburt geschafft sei, wenn das Kind ausgetreten ist. Dies erhöht die Komplikationen gegenüber dem expliziten Kommunizieren, dass die Plazenta auch noch Teil der Geburt sei.

– Das Blut der Extraplazenta ist sehr wichtig für das Kind. Daher bitte nicht voreilig Abnabeln. Es gibt keine wissenschaftlichen Gründe zur vorzeitigen Abnabelung! Im Gegenteil. Kinder nehmen bis zu 200 g an Gewicht zu, wenn sie an der Nabelschnur bzw. an der Plazenta gelassen werden. (Natürlich nur, wenn keine Komplikationen bestehen. Im Notfall, z. B. bei erhöhtem Blutverlust der Mutter, kann aber auch nur die mutterseitige Nabelschnur getrennt werden, wobei die kindseitige Verbindung belassen wird.)

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