Galenische Formen

von Dr. Raphael Hochstrasser

Diesen Artikel habe ich ursprünglich für Complemedis AG verfasst, hier liegt er in leicht angepasster Form vor.

 

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen galenischen Formen beschrieben.

Jeder Arzt / Therapeut hat heute die Möglichkeit, diejenige galenische Form zu wählen und zu verschreiben, welche dem zu behandelnden Syndrom und der Compliance des Patienten am besten Rechnung trägt.

Dekokt

Das Dekokt, eine Wasserabkochung der rohen oder präparierten Mittel, ist wohl die traditionellste Zubereitungs- und Einnahmeform. Das medizinische Wissen über die Wirkweise der Chinesischen Heilmittel baut grösstenteils darauf auf. Da die pflanzlichen, mineralischen und tierischen Stoffe bei dieser Verabreicherungsart am wenigsten verändert werden, ist es vermutlich auch auf feinstofflicher Ebene die naturgetreuste Methode. Die Heilmittelklassiker beschreiben für beinahe jedes Rezept individuelle Zubereitungsarten. Einige Dekokte sollen beispielsweise in mehreren Fraktionen zu unterschiedlichen Kochzeiten zubereitet werden. Bei bestimmten Bestandteilen wird geraten, sie in Honig oder Wein zu rösten. Zwar werden zur Vereinfachung häufig anstelle von einzelnen Portionen auch Tages- oder Mehrtagesportionen zubereitet und bis zur Einnahme im Kühlschrank gelagert, der Aufwand bleibt einerseits erheblich und passt nicht immer in den europäischer Lebensalltag, doch trägt er auch aktiv zum Heilungsprozess des Patienten bei. Die allgemeine Kochanleitung von TCM Aarau: Dekoktzubereitung.

Granulate

Ähnlich weit zurück wie die Anwendung von Dekokten, reicht auch die Verwendung von gemahlenen und pulverisierten Drogen. Die Verfahren wurden inzwischen zwar verfeinert, doch im wesentlichen gleich geblieben. Um die Homogenität und Haltbarkeit der Mittel zu erhöhen, werden heute die Extrakte der Wasserabkochung auf eine Trägersubstanz aufgesprüht. Obwohl sich deren Eigenschaften nicht ganz mit der Definition der europäischen Pharmakopöe deckt, hat sich der Begriff „Granulat“ durchgesetzt. Im Gegensatz zu den Dekokten, müssen die Granulate von den Patienten nicht mehr gekocht werden. Am einfachsten erwies sich bisher die perorale Einnahme mit warmem Wasser. Aber auch andere Methoden wie das „Einrollen“ des Granulates zu Honigbällchen, oder die Einnahme zusammen mit Chrysanthementee sind bekannt. Ein wesentlicher Nachteil der Granulate ist, dass sie von blossem Auge kaum unterscheidbar sind. Nur mit viel Erfahrung und Hilfsmitteln (siehe Phytax AG) wie z. B. der Dünnschichtchromatographie ist es möglich, die Identität der Granulate mit höchstmöglicher Sicherheit zu bestimmen. Ein grosser Vorteil hingegen liegt in der hohen Haltbarkeit. Granulate gehen keine Verbindung mit der Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft ein, sind also nicht hygroskopisch. Theoretisch könnte man auf diese Weise gewisse Mittel über Jahre lagern, ohne bemerkenswert Beeinträchtigungen der Wirksamkeit in Kauf zu nehmen. Damit kann auch erklärt werden, weshalb im Labor Granulate oft sogar bessere Werte zeigen, als Rohdrogen; vor allem bei Mitteln mit hohen Anteilen ätherischer Öle.

Das Dünnschichtchromatogramm (DC), liefert hierzu qualitative und halbquantitative Werte, welche auch Laien einen Eindruck vermitteln. Die nachfolgenden Dünnschichtchromatogramme (Aufnahme bei UV 366 nm – Entwicklung mit identischen Laufmitteln) zeigen „Menthae, Herba – Bo He“ als Rohdroge und als Granulat.

Probe L-472 Rohdroge

 

 

Probe L-472 Granulat

 

 

Tabletten

Tabletten sind zu 100% identisch mit den Granulaten, enthalten also ebenfalls keine chemischen Zusatzstoffe. Die Fliess-, Zerfalls- und Bindeeigentschaft wird mit geringsten Mengen Magnesiumstearat, sowie der natürlichen Pflanzenstärke optimiert. Der Nachteil, und je nachdem auch der Vorteil der Tabletten liegt darin, dass bei der Einnahme die Geschmacksinformation über die Schleimhäute sehr gering ausfällt. Es ist bekannt, dass Mittel, welche nur beschränkt oder gar nicht über den Gaumen ein- bzw. wahrgenommen werden, um einiges weniger gut resorbiert werden, als solche die mit der vollen Geschmacksinformation in die Verdauung gelangen. Die Wirkstoffresorption kann verbessert werden, indem die Tabletten mit warmem Wasser eingenommen werden. In der CM wird die Mitte (Verdauungsinstanz) mit einem Kochtopf verglichen und alles was nicht warm oder gekocht eingenommen wird, muss zuerst vom System unter Energieverlust gewärmt werden. Tabletten können wahlweise auch zermörsert und wie Granulat eingenommen werden.  Eine ideale Lösung für Patienten, die manchmal Zeit oder Gelegenheit für die Einnahme als „Tee“ haben, und manchmal nicht, z. B.  in den Ferien, bei der Arbeit, etc.

Flüssigkonzentrate

Der Vorteil von Flüssigkonzentraten ist sicherlich die einfache und angenehme Einnahme.Es kann zwar vorkommen, dass bei einigen Pflanzen der Ethanolauszug ähnliche Wirkstoffe enthält wie der Wasserauszug, doch die Wissenschaft ist noch weit davon entfernt, das Zusammenspiel und die Bedeutung der einzelnen Wirksubstanzen zu entschlüsseln. Man kann also weder abschätzen, noch definieren, wie die Alkoholextrakte wirken. Zudem zerstört Alkohol natürliche Enzyme und Mikroorganismen, welche für den Wirkmechanismus von eminenter Bedeutung sein können.  Ein weiterer Nachteil ist, dass sich die meisten mineralischen und tierischen Substanzen wie z. B. Cicadae, Periostracum (Chan Tui), Gypsum, Firbrosum (Shi Gao), Ostreae, Conchae (Mu Li), Draconis, Os (Long Gu), etc. weder konzentrieren, noch verflüssigen lassen. Auch die geringe Haltbarkeit der Flüssigkonzentrate birgt ein Problem in sich, welches nur durch die Zugabe von Konservierungsstoffen gelöst werden kann. Alkohol ist wohl die sanfteste Variante, doch über längere Zeit eingenommen, bringt es eine Vielzahl von beachtlichen Nebenwirkungen mit sich. Vor allem die narkotische Wirkung aufs Zentralnervensystem und die Erweiterung der Hautgefässe sollten nicht unterschätzt werden. Das nachfolgende Dünnschichtchromatogramm (Aufnahme bei UV 366 nm – Entwicklung mit identischen Laufmitteln) zeigt einen Wasser- und einen Alkoholauszug von „Angelica Sinensis, Radix – Dang Gui“ im Vergleich.

 

Probe RP-254 mit Wasser extrahiert

 

 

Probe L-1662 mit Ethanol extrahiert

 

 

Salben, Sprays und Kräuterpasten

Für die Behandlung des Bewegungsapparates oder der Haut kommen auch Mittel zur äusserlichen Applikation, sogenannte Externa, zur Anwendung. Noch heute werden viele Rezepturen in China geheimgehalten. Dies ist unter anderem ein Grund, weshalb hierzulande nur vereinzelte solcher Mittel erhältlich sind. chinesische Heilmittel werden zu Salben, Pasten und Sprays verarbeitet. Diese finden dann zum Beispiel in der Traumatologie, der Orthopädie, der Sportmedizin und teilweise in der Dermatologie eine breite aber auch spezifizierte Anwendung. Salben werden eingerieben oder einmassiert. Sprays können mehrmals täglich aufgesprüht oder sanft eingerieben werden. Pasten werden auf die betroffene Stelle aufgetragen, mit einer elastischen Binde um wickelt und für mehrere Stunden oder über Nacht auf der Blessur belassen. Die aktiven Wirkstoffe der Externa werden von der Haut absorbiert und üben ihre Wirkung so auf die betroffene Stelle aus.