CM in der Schweiz

von Dr. Raphael Hochstrasser

Eidgenössische Komplementärmedizin-Studie

1998: Als Zuständige des BAG (eidgenössisches Bundesamt für Gesundheit) lancierte die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss eine sieben Millionen Franken (6 Millionen Euro) teure Untersuchung zu Kosten und Effektivität der Komplementärmedizin. 2006, kurz vor der Fertigstellung, wurde die Arbeit vom Nachfolger Pascale Couchepin abgeklemmt. Experten liessen durchblicken, dass die Resultate für die Komplementärmedizin im Vergleich zur konventionellen Medizin zu positiv ausfallen könnten.

Im selben Zuge und ebenfalls ohne Begründung hat Couchepin die fünf wichtigsten, eben erst von Ruth Dreifuss aufgenommenen Alternativmedizinmethoden wieder aus dem Katalog der Grundversicherung gekippt. Laut Zürcher Tagesanzeiger hat Couchepin dies auf Geheiss hin eines persönlichen Freundes und hohen Vertreters der Pharmalobby getan. Mittlerweile ist Couchepin nicht mehr im Bundesrat und die Methoden sind wieder im Katalog. Die Forschungsarbeit wurde gemäss offiziellem Review-Board aber nie korrekt zu Ende geführt [i].

Eidgenössischer Beruf: Naturheilpraktiker

Auf der anderen Seite hat sich in der Schweiz viel Gutes getan für die Komplementärmedizin und die CM. Dank einer Volksinitiative
und viel Verbandsarbeit konnten 2015 vier komplementärmedizinische Fachrichtungen als eidgenössisch anerkannte, höhere Berufsbilder mit geschütztem Titel verankert werden: Ayurveda-Medizin, Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin TCM und Traditionelle Europäische Naturheilkunde TEN. Die genauen Auswirkungen sind zwar noch nicht ganz klar, aber insgesamt ist das eine gute Sache.

Sagenhaft umständlich sind die Titel. Z. B.: Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom Fachrichtung Traditionelle Chinesische Medizin TCM, den man angeblich nicht abkürzen darf. Man stelle sich das mal vor: Oh, Dir tut der Ellbogen weh, geh doch mal zum Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom Fachrichtung Traditionelle Chinesische Medizin!

Eine mögliche Entwicklung könnte darin liegen, dass die Leistungen der Naturheilpraktiker früher oder später über die obligatorische Grundversicherung der Krankenkassen vergütet werden. Heute geht das z. B. bei Akupunktur ausschliesslich, wenn sie von konventionellen Ärzten mit dem Zusatz ASA (Assoziation Schweizer Ärztegesellschaften für Akupunktur) ausgeführt werden. Für das ASA müssen sie rund 360 Stunden in CM absolvieren. Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diblablablalablödlangertitel, also die CM-Therapeuten absolvieren hingegen mindestens 1500 Stunden in CM, Praktikum und konventionell-medizinische Allgemeinbildung nicht eingerechnet. Natürlich verfügen die konventionellen Ärzte über eine wesentlich fundiertere Ausbildung in konventioneller Medizin, es fragt sich aber, ob dies ausreicht, um die Vergütung der Akupunktur durch die Grundversicherung gegenüber dem in CM fundiert ausgebildeten Therapeuten zu rechtfertigen.

Rückvergütung durch Krankenversicherungen

Nun ja, Akupunktur sowie alle weiteren Leistungen der CM, inklusive Arzneimittel, Tuī-Ná, Moxa usw. können heute schon über eine freiwillige Zusatzversicherung für Komplementärmedizin rückvergütet werden. In der deutschsprachigen Schweiz verfügen immerhin zwischen 70–90% der Bevölkerung über so einen Zusatz. Das ist ein Hauptgrund dafür, weshalb die CM in der Schweiz so stark geworden ist.


[i]         Studie: Politik vs Komplementärmedizin
Als die vom Schweizer Bundesrat initiierte, umfangreiche Studie über Komplementärmedizin Gutes verheissen liess, wurde sie plötzlich nicht mehr vollständig ausgewertet. Dieser merkwürdige Abbruch der Evaluation wird hier dokumentiert:
Walach H, Linde K, Eichenberger R & Kleijnen J, et al: Swiss Complementary Medicine Evaluation Programme. Summary consensus statement of the Review Board of the Swiss Complementary Medicine Evaluation Programme, (Programme Evaluation Komplementärmedizin, PEK) regarding the PEK process and products. Homeopathy. 2006 Jan;95(1):28-30.