von Dr. Raphael Hochstrasser
IMRaD
Ob für ein Fachjournal, eine Masterthesis oder eine Dissertation – naturwissenschaftliche Publikationen werden für gewöhnlich in Form der IMRaD-Struktur dargelegt. Das gilt sowohl für den Volltext, wie auch für die jeweils vorangehende Zusammenfassung, den Abstract.
Introduction – Einführung: Um WAS geht es und WARUM?
Method – Methodik: WANN, WO, WIE wird das untersucht?
Results – Ergebnisse: WAS ist dabei rausgekommen?
and
Discussion – Diskussion: WELCHE Bedeutung hat das?
+ ev. Ausblick: WELCHE Bedeutung KÖNNTE das noch haben?
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Tipps zu den einzelnen Elementen
Title: Der Title bildet zusammen mit dem Abstract den wichtigsten Teil der Arbeit. Beides ist nicht nur ausschlaggebend dafür, ob ein Artikel für eine Publikation überhaupt in Betracht gezogen wird, sondern ob er später jemals Beachtung findet und gelesen oder zitiert wird. Eine reelle Chance besteht nur dann, wenn es gelingt, die zentrale Aussage der Arbeit im Titel zu formulieren! Damit kann die Aufmerksamkeit der Leser gewonnen werden.
Wegen den Suchmaschinen muss der Titel relevante und gleichzeitig spezifische (nicht häufig vorkommende) Begriffe enthalten. Überlege Mal, mit welchen spezifischen Suchbegriffen Du nach dem Inhalt einer ähnlichen Arbeit suchen würdest.
Abkürzungen im Title sind ein No-Go.
Abstract: Nochmal: Der Abstract bildet zusammen mit dem Title (siehe auch dort) den wichtigsten Teil der Arbeit. Er enthält die entscheidenden Informationen und Überlegungen, die so kurz und strukturiert wie nur irgendwie möglich, dargelegt werden. Bei Publikationen in Journals beträgt die maximale Länge des Abstracts normalerweise 200-400 Worte.
Introduction: Ca. zwei Absätze (Volltext in Journals), die beschreiben wozu die Arbeit dient, ein abschliessender Satz, wie dies angestellt wird. Die für die Untersuchung relevanten Grundlagen und der aktuelle Stand der Forschung werden aufgeführt, um mit der Forschungsfrage und Hypothese dort anzuknüpfen.
Methods: Ca. sechs Absätze (Volltext in Journals) die beschreiben, was gemacht wurde. Die Methodik muss nicht nur eindeutig reproduzierbar, sondern auch grundsolide sein, sonst bringt die ganze Arbeit nichts!
Results: Ca. sechs Absätze (Volltext in Journals), die nüchtern beschreiben was gefunden wurde. Keine Interpretation, rein deskriptiv!
Discussion: Ca. sechs Absätze (Volltext in Journals) für die Interpretation der Ergebnisse. Der erste Absatz beschreibt, was gefunden wurde, dazwischen gibt’s Vergleiche mit anderen Arbeiten, der letzte Absatz endet mit einer prägnanten Aussage. Das langweiligste ist: …“weitere Forschungsarbeit erforderlich…“)
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Wie ein Dinner
Diese Struktur wird gerne auch mit einem Dinner verglichen, wobei in der Einführung die Menuekarte gezeigt wird, die Methode entspricht dann dem Kochrezept, das Resultat dem fertig zubereiteten Essen und die Diskussion dem Servieren des Essens in Form von mundgerechten Häppchen.
Bei der Beurteilung einer Arbeit geht es in erster Linie um die Wissenschaftlichkeit (Struktur, Sachlichkeit, Plausibilität, Korrektheit, Methodik, Reproduzierbarkeit, etc.), in zweiter Linie um Innovation, Orginalität und Exzellenz. Ob die Hypothese zutrifft oder nicht, sollte (oh Mensch!) für die Beurteilung der Arbeit nebensächlich sein.
Mein wichtigster Erfahrungstipp: Bei der ersten Thesis möglichst einfache und kleine Brötchen backen. Es geht nicht darum die Welt zu verändern, sondern darzulegen, dass man fähig ist, das Meisterstück zu bewerkstelligen.
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Die eigentliche Kunst: An den aktuellen Wissensstand anknüpfen
Der grösste Aufwand für Neulinge ist, sich in das Forschungsgebiet, dem die Arbeit zugehört, einzuarbeiten. Es sollte vollständig abgeklappert werden, um eine Übersicht zu gewinnen und den aktuellen Stand des Wissens zu kennen. Die Kunst ist also, den bestehenden Wissensstand aufzugreifen und mit der neuen Arbeit dort anzuknüpfen, was sich insbesondere durch die Zitierungen widerspiegelt. Man kann davon ausgehen, dass die Leser von einschlägigen Journals über den aktuellen Stand der Forschung informiert sind.
Vorgehensweise beim Schreiben…
Zuerst das ganze in groben Zügen und aus einem Guss heraus schreiben, ohne Korrekturen und mit allen Unsicherheiten. Erst wenn das Grundgerüst steht, erfolgen die Feinarbeiten. Dabei sollte die wichtigste Aussage jedes Abschnittes in den dessen ersten Satz verfrachtet werden. Direkte und kurze Formulierungen sind selbstverständlich! Ein gutes Text-Analyse-Tool findet sich auf: wortliga.de.
Wenn ein Journal ausgewählt wurde, die ‚instructions for authors‘ herunterladen und die vorformulierten Absätze unter den entsprechenden Formatvorschriften einfügen. Nun nochmals alles im Detail abgleichen. Wegen den vielen Verknüpfungen und unterschiedlichen Anforderungen von Journalen wäre es der helle Wahnsinn, keine Zitersoftware wie z. B. BibTeX, Endnote (Tipps dazu), Reference Manager, Zotero zu verwenden. Keine Diskussionen mit dem Editor anfangen, sondern einfach und schnell auf seine Vorschläge eingehen oder das ganze absagen und ein anderes Journal wählen!
Einteilung der Ressourcen
Wer eine wissenschaftliche Arbeit fertigen will, braucht nicht nur Zeit und Energie zum Schreiben, sondern auch für einige andere Dinge. Ein Überblick…
5-20% Vorbereitung
Forschungsfrage, Abstract (Résumé), Probandeneinverständnis, Gesuch Ethikkommission usw.
20-30% Versuche
Praktische Durchführung der Experimente inkl. Recherche, Rektrutierung, Befragungen, Messung, Protokollierung, Auswertung (ergibt Results) usw.
30-40% Ausführliche schriftliche Arbeit
Einlesen in bestehende, relevante und angrenzende Forschungsarbeiten, ausführliches wissenschaftliches Schreiben, Komplettierung der Arbeit
10-25% Publikation
Journals suchen, anfragen, Publikation schreiben, Formatieren, Peer Review, Publizieren
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Was dieser ganze Aufwand mit dem wissenschaftlichen Schreiben einem Komplementärmediziner bringt: Er lernt, Fakten von Interpretationen zu unterscheiden, eine Forschungsarbeit strukturiert und nachvollziehbar darzulegen bzw. zu lesen sowie analytisches Denken bezüglich Methodik, Statistik, Stratifizierung und Operationalisierung.
Nützliche Datenbanken und links für wissenschaftliche Arbeiten: DBs und Fachartikel