Schwitzen, Hyperhidrose

von Dr. Raphael Hochstrasser

Pathologie und die wichtigsten Gegenmassnahmen

Durch das Ausschwitzen von 0.5 – 6 Liter Wasser pro Tag regulieren die rund 3 Millionen Schweissdrüsen unter der Haut die Kerntemperatur von ca. 37° Celsius in den Organen.

Gemäss CM wird das Schwitzen durch verschiedene theoretische Ansätze mit eher geringer klinischer erklärt. Z. B., dass Schweiss die vom Herzen kontrollierte Flüssigkeit ist. Das trifft am ehesten bei ausgeprägtem Schitzen in den Handinnfenflächen und unter den Achselhöhlen zu. Das wichtigste Mittel gegen Nachtschwitzen, Suan Zao Ren, lässt sich gut damit assozieren. Denn dieses wirkt besonders günstig auf unruhiges Shen und/oder Hitze im Herzen. Bei Schwitzen durch Nervosität oder Angst ist Wu Wei Zi indiziert. Die Theorie, dass die Niere in ihrem Element das Wasser beherrscht, erklärt das Vermögen dieser Arznei, durch Adstringieren Schwitzen zu mindern. Die Niere transportiert auch Flüssigkeit zur Lunge hin und weg, wo wir bei einem weiteren Organ bzw. Element mit Einfluss auf das Schwitzen angelang sind. Einleuchtender ist dort aber noch der Bezug zum Wei-Qi, welches die Poren kontrollieren sollte. Dazu ist Huang Qi hervorragend geeignet. Diese 3 Mittel wirken in den meisten Fällen auch unabhängig vom vorliegenden Muster gegen Hyperhidrose. Bai Shao ist annährend so wirksam, und hilft vor allem bei Beteiligung von Leber bzw. Stress-Mustern. Mu Li kühlt und beruhigt zusätzlich, Ma Huang Gen kann rein symptomatisch eingesetzt werden. Selbstverständlich sind weitere Mittel entsprechend dem vorliegendem Muster zur Vervollständigung einer wirksamen Arzneikomposition notwendig.

Bei akutem Schwitzen müssen folgende Pathogenesen in Betracht gezogen werden: EPF, Fieber, Infekte (Fülle-Hitze), Herzinfarkt, Kreislaufkollaps (Yang-Kollaps). Bei generellem Auftreten hingegen: Psychische Beschwerden (Angstzustände, Depressionen), Hormonstörung (z. B. Hyperthyreose (aufsteigendes Le-Yang), Klimakterium (Yin-Leere-Hitze), Schwangerschaft, Stoffwechselstörung wie z. B. Diabetes (Mi-/Ni-Störung) (+Durst, Müdigkeit, nachts Wadenkrämpfe, Muskelzittern, Heisshunger).

Gemäss konventioneller Medizin ist vorallem der Sympathikus am Schwitzen schuld, der wiederum durch zahlreiche Faktoren übermässig aktiviert werden kann, u. a. durch Hyperthyreose, Infektionen, Hormonstörungen, Klimakterium, Schwangerschaft, Diabetes, psychische Einflüsse  wie Stress, Angstzustände, innere Unruhe, etc. Die wohl wichtigste Massnahme bei übermässigem Schwitzen ist im Sinne der konventionellen Medizin: Den Verlust von Flüssigkeit und Mineralstoffen, v.a . von Salzen, mit ausreichender Flüssigkeitzufuhr auszugleichen! Sonst bietet die konventionelle nur Fragwürdiges: Externe Arzneimittel wie Antitranspirante, deren Wirkung allerdings auf Aluminumchlorid basiert. Subkutane Botoxinjektionen wirken nicht nachhaltig (max. 6 Monate) und führen zu frühzeitigen Alterserscheinung. Die operative Entfernung von Schweissdrüsen ist meist mit einer Vollnarkose verbunden und kann nur areal, z. B. in den Achselhölen getätigt werden. Wenn sie ‚wirkt‘, dann nachhaltig. Die Durchtrennung versorgender Nerven ist aber erstens nicht immer erfolgreich, und führt zweitens oft lediglich zu einer Verlagerung der Symptome.

Akupunktur

Mit Akupunktur sind die Chancen, Schwitzen deutlich zu vermindern, gering bis mittelmässig. Die wichtigsten, generellen Akupunkte sind Ni7, der vermutlich nicht so schlecht wirkt, weil er der Metallpunkt auf der Wasserleitbahn ist. He1 ist als Lokalpunkt in Betracht zu ziehen und Dü3 bei Nachtschwitzen.
Deadmen nennt ausserdem Lu1 (Wasserwege), Du 17 und Ren24 (EPF), sowie…
… Profus, postpartal durch Absenken des Le-Yang: Le3
…Genitalien: Bl35 (FH), Ni8 (F i. UJ), Ren1 (F, Miktion), Ren7 (Fluor),
… Hitzeerkrankungen mit viel Schweiss Di 3 (H, Ödeme)
… Leere: Di 4, Ma 12, Ma 39, Bl 4, Bl 13, Bl 29, Bl 67, Gb 11, Gb 44, Du 4, Du 13, Du 15
… Hitze auf der Oberfläche: SJ 5 (WH, EPF)
… Kältefrösteln: Gb 38 (W, H…?)
… Nachtschwitzen: He6 (Leere-Hitze), Bl 13 (Lu) Bl15 (He), Bl17 (Blut, Zwerchfell), Bl43 (He-Shen), Ni2 (Feuer-Pnkt., H klären), Ni7, Ni 8, Du 14, (M-HN 30) Bailiio
… Nachts mit Frösteln und Fieber und Abneigung gegen Kälte: Bl 13 (Lu-Shu)
… Ohne Abneigung gegen Kälte: BI 66
… Reichlich: Di4,Mi15,Gb43,Le1
… Schwäche: Du14
… Spontan: Bl 17, Bl 43, Ni 2, Ni 7, (M-HN30) Bailao

Arzneimittel

Mit chinesischen Arzneimitteln sind die Chancen, Schwitzen deutlich zu vermindern, gut bis sehr gut. Für einen vollständigen Behandlungserfolg, etwa bei Hyperhidrose, sind die Chancen mittelmässig bis gut. Natürlich macht eine Musterdiagnose mit entsprechender Arzneiformulierung Sinn, und da werden die wichtigsten symptomatisch-Schwitzen-Stoppen-Mittel integriert:

+++ Wu wei zi – schisandrae, fr (Lu-Yin+/Qi+, Husten, Jing+)
+++ Huang Qi – astragali, rx (Mi+, Lu+, Wei-Qi, Xue-Bilden, Haut)
++ Suan zao ren – ziziphy spinosae, sn (allg.i, Shen+)
++ Ma Huang Gen –  Ephedrae Radix (ausschliessl. Schwitzen stoppen)
+ Mu Li – ostrea, concha (yangi & sheni)
+ Bai Shao Yao – paeoniae albae, rx (Xue+, Le+, S.)
+ Long Gu – draconis, os/dens (yangi, sheni, Le-Yin+)

Mein persönlicher Geheimtipp:
+++ Shu Wei Cao – salvia officinalis, hb / Salbeitee
Anwendung innerlich und äusserlich. Nachweislich bis zu 10 Tagen und bis zu 50% Wirksamkeit durch Hemmung der Schweissdrüsen-Nervenenden! Bei Selbstanbau zwischen September und August ernten!

Von den klassischen Formeln sind diese besonders interessant:
Mu Li San – Poren adstringieren (Mu Li, Huang Qi, Ma Huang Gen, Fu Xiao Mai)
Yu Pi Feng San – Wei & Lu-Qi-Leere (Huang Qi, Bai Zhu, Fang Feng)
Dang Gui Liu Huang Tang – Leere-Hitze/Feuer (Dang Gui, Shu Di, Sheng Di, Huang Qi, Huang Bai, Huang Lian)